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Sind Sie noch mein Freund, Herr Google?

Lieber Herr Google,

ich schreibe Ihnen heute als Freund. Denn Freunde sind wir doch, zumindest einseitig. Sonst würden Sie nicht so viel von mir wissen. Und dazu noch so viel Aktuelles, das nicht einmal ich von mir selbst immer genau weiß. Wie Sie das wohl nur machen.

Ganz früher waren Sie übrigens ein ganz enger Freund von mir. Und wissen Sie was? Auch wenn es mir fast peinlich ist, es zuzugeben: Ich habe sie ausgenutzt. Okay, Sie haben dies auch ganz ehrlich so von mir erwartet. Vielleicht waren Sie ein bisschen masochistisch … Denn was ich alles mit Ihnen gemacht habe: ich habe Ihre Seiten durchstöbert, Ihren Kalender als meinen genutzt, sogar Ihre Shops leer gekauft. Einfach so. Und das seit ziemlich langer Zeit schon. Sie waren mit Ihren Tipps auch so hilfreich. Und dazu so nett: „Don’t be evil„, haben Sie immer gesagt. Und ich habe Ihnen geglaubt.

Doch das hat sich in letzter Zeit geändert. Ich weiß nur gar nicht, warum Sie dies unbedingt so wollten. Auf jeden Fall haben Sie es gemacht. Schritt für Schritt. Erst haben Sie mein Lieblings-Bildbearbeitungsprogramm Picnik aufgekauft. Einfach so. Was habe ich mich aufgeregt! Und dies passierte auch noch an meinem Geburtstag. Immerhin haben Sie mir damals fest versprochen, dass es in Ihrem Produkt Picasa eine viel bessere Heimat finden würde, das Sie bereits 2004 aufgekauft hatten. Das fand ich damals schon blöde. Noch blöder fand ich es, dass Sie auch Picasa jetzt geschlossen haben bzw. in Ihrem Plus-Projekt aufgehen lassen haben. Denn damit war mein Liebling Picnik für immer verschwunden. Schnief!

Als nächstes kam mein Lieblings-Email-Client Sparrow dran. Zickzack hatten Sie das Team übernommen. Das war vor circa einem Jahr. Damals haben Sie von Weiterentwicklung und Integration in Ihren eigenen Client gesprochen. Seitdem ist wenig passiert. Nein, gar nichts. Außer dass mein Lieblings-Email-Client in seiner Entwicklung stehen geblieben ist, weil ihn anscheinend niemand weiterentwickeln wollte. Der Arme! Und ich erst!

Dabei hatte ich immer gedacht, dass ich Ihnen zumindest ein kleines wenig wichtig sei. „Errare humanum est„, würde wohl jetzt der alte Lateiner sagen. Aber das wissen Sie mehrere Milliarden schwerer und kluger Kopf natürlich viel besser als ich einsamer Nutzer und Denker, der Ihnen diese ganz persönlichen Zeilen widmet. Darf ich was dazu fragen? Ich tue es einfach: Hat denn die eigene Bildung in Ihrem Netz künftig überhaupt noch eine Bedeutung? Oder sollten wir besser unser aller Wissen in – ja, was denn – eintauschen? Haben Sie mir einen Tipp? Schließlich wissen Sie doch auch sonst alles von mir, über mich und was zu mir passen würde. Aber ich bin vom Thema abgewichen.

Im vergangenen Jahr haben Sie dann das Ende Ihres doch so einfach zu bedienenden Dashboards eingeläutet: Auch von meinem Bildschirm soll ab November iGoogle verschwunden sein. Ach schade: Es war doch so ein schön übersichtlicher Navigator durch Ihre und andere Online-Welten. Sie wollen also wirklich, dass ich mir Ersatz suche? Und dies nach so vielen Jahren, in denen Sie doch so viel von mir lernen konnten?

Vor ein paar Tagen haben Sie sich auch noch dazu entschlossen, mir meine Lieblingslektüre wegzunehmen. Nein, nicht die Lektüre, aber das Lesetool, also die Technologie, auf die Sie immer so stolz waren. Darum kann ich es auch nicht verstehen: Das aus Ihnen direkt hinaus kam – und nicht einmal dazu gekauft werden musste. Was mich ganz lange und ganz häufig, ich würde sagen, täglich eine Stunde lang, den Google Pulsschlag spüren ließ. Also nehmen Sie mir jetzt Ihren Herzschlag, Ihre ständige Nähe, irgendwie auch Ihr Vertrauen.

Seien wir mal zueinander ehrlich: Mein Lese-Abo haben Sie gestrichen, mein Grafikprogramm ausgelöscht und mein Email-Programm brach gelegt. Geht man so mit Freunden um? Klar werfe ich ab und zu noch einen Blick in Ihren Kalender oder in dieses Google+, von dem Sie manchmal – so mein vielleicht abwegiges Gefühl – selbst nicht genau wissen, für was es stehen soll. Ansonsten hätten Sie es mir doch klar gesagt.

Übrigens war für mich Ihr Reader Ihr letzter, zentraler und mich bindender Dienst. Dass Sie in mir jetzt nehmen, wollen Sie damit mir durch die Blume sagen, dass ich mich künftig noch stärker von Ihnen distanzieren soll? Oder wollen Sie viel eher verdeutlichen, dass Sie sich von Ihrer Grundmission eines offenen Webs verabschieden wollen und ich mich einfach anpassen muss, wie wenn der Freund plötzlich eine neue Freundin hat? Ansonsten wäre unsere bisherige Freundschaft zu Ende? Soll es ja geben. Oder ganz anders aber direkt gefragt: Werfen Sie jetzt all dies über Bord wegen dieses Netzwerks von diesem Ex-Studenten?

Nein, mein Guter, ich will natürlich nicht verhehlen, dass Sie auch Neues entwickelt haben. Aber wirklich revolutionäres, das mich bindet? Viel Neues scheint Ihnen, Herr Google, nicht einzufallen. Zum Beispiel: Warum jetzt keep? Wir benutzen doch schon Evernote und andere Notizzettel. Ist das jetzt ein Must-Have? Ich verstehe schon: Immerhin passt es perfekt in Ihr Google+.

Auch bei der Namensgebung hat Sie Ihre Kreativität etwas verlassen, wie andere schon entdeckt haben. Denn den Pinterest-Klon keep.com als auch den hübschen Speicher-Service keeeb.com müssten Sie eigentlich kennen. Wo ist dann diese ungeheure Innovationskraft, für die Sie auch von mir so geliebt wurden? Für die Sie Ihren eigenen Mitarbeitern sogar viel Zeit eingeräumt haben, damit Sie selbst aus ihrer in Ihren hübschen Räumen ausgelebter Kreativität profitieren können? Haben Sie dies nicht immer betont? Okay, Sie wollen nach meinen Mails, Kalendereinträgen, Plus-Einträgen auch meine Notizen. Ist das gut für mich? Ich weiß ja nicht. Was würdest Sie mir denn als Freund empfehlen?

Und ach ja: Können wir davon ausgehen, dass diese Neuerungen wirklich auch länger überleben? Das heißt, Ist so ein Service – wie sagt man doch – strategisch und finanziell relevanter für dich als die jetzt geschlossenen? Gibt es da eine wirkliche Perspektive, wie auch andere fragen? Oder gibt es den Begriff „langfristig“ online vielleicht gar nicht, und wir müssen wie eine glückliche Frühlings-Biene ständig von Blüte zu Blüte hopfen und dabei teils den gerade gewonnenen Blütenstaub unterwegs wieder verlieren?

Abgesehen von meinem persönlichen Geheule kommen wir doch besser zu einer gerade für Sie sicherlich viel relevanteren Frage: Wie und mit was wollen Sie mich künftig noch als Freund binden? Denn um Bindung geht es schließlich doch in jeder Beziehung. Und die haben wir doch gerade. Zumindest noch. Okay, über Ihre tolle Suche. Aber wenn ich dort künftig vor allem die Hinweise und Tipps meiner Freunde und Friends erhalte, die mir doch so oder so schon meist bekannt sind und mit denen mich doch bereits die Graph Search Ihres Rivalen – das ist er doch – bedrängt. Was für ungefilterte Neuigkeiten werde ich denn dann noch bei Ihnen finden? Oder soll ich deswegen besser auf andere, wenn auch nicht so gute aber immerhin offenere Suchmaschinen wie duckduckgo.com oder ecosia.org umsteigen? Wollen Sie das wirklich?

Ich bin ja nicht ganz blöd, was Sie natürlich bereits wissen. Zum Beispiel weiß ich, dass Sie ein ganz normales, eher unromantisches Unternehmen geworden sind. Einige würden sogar sagen, dass Sie sich von einem Technologieunternehmen, das seine Mitarbeiter und Fans – also solche wie mich – mit fortwährenden Innovationen begeistert hatte, zu einem immer stärker definierten puren Werbe-Giganten entwickelt hätten. So weit würde ich noch nicht gehen. Zumindest heute noch nicht. Denn wir sind doch Freunde. Und würden Sie mir solch einen Wandel nicht erklären? Hätte ich dafür als langjähriger Freund, von dem Sie wirklich fast alles wissen, nicht eine Art Anrecht? Vielleicht ist dies zu viel verlangt. Eines will ich Ihnen aber verraten: Für viele Ihrer Services hätte ich sogar gezahlt. Ja, cash! Aber Ihre Strategie will weniger Geld als vielmehr meine Daten. Aber wenn ich künftiger weniger nahe Ihnen bin, woher holen Sie diese dann?

Sie, Herr Google, lesen richtig: Ich bin verwirrt. Durch Ihr Verhalten, Ihren Kurs, Ihren Liebesentzug. Ob bewusst oder ungeplant. Und wegen unserer Freundschaft, die sich irgendwie verändert hat. Sehr verändert hat. Übrigens bin nicht nur ich so verunsichert. Ich verrate es Ihnen gerne: Auch vielen meiner Freunde geht es ähnlich. Darum sagen Sie doch mal: Wie sollen wir künftig unsere Freundschaft aufrechterhalten? Wie gesagt: Sie wissen doch alles. Dann werden Sie mir doch diese Frage beantworten können. Als Freund. Oder?

Ihr (Noch-) Freund Dominik

Die Lesetipps-Gedankenspiele vom 25. März 2013

Nachdem ich die letzten 14 Tage zwischen Seminaren, Coachings, Kongress- und Konferenz-Vorbereitungen viel unterwegs war, komme ich erst jetzt zu einigen Lesetipps, die ich wieder gerne weiterempfehle.

Trends von der SXSW
Einen spannenden Beitrag hat Ulrike Langer von der weltgrößten Digitalkonferenz SXSW – ja, da wollte ich auch hin – mitgebracht: Sie macht sich Gedanken, welche Trends das Festival dieses Jahr hervorgebracht hat – und stößt dabei auf die verändernde Konzepte von Raum und Zeit.

Auf dem Weg zum Social Business
Sehr spannend ist der ein paar Tage alte Beitrag von Brian Solis, in dem er die 6 Stufen der Social Business Transformation aufzeigt. Und wenn man richtig überlegt: Mehr als Stufe 3 dürften bislang die wenigsten Unternehmen erreicht haben. Viele werden schon glücklich sein, überhaupt Stufe 2 erreicht zu haben.

Die Zeit nach dem Google Reader
So viel wie noch nie wurde in den letzten zwei Wochen über RSS geschrieben – nachdem Google das Ende des zumindest bei Online Relations Fachleuten beliebten Google Readers angekündigt hat. Klaus Eck hat einen passenden, wunderbar unaufgeregten Beitrag dazu geschrieben, wie sich RSS weiterhin nutzen lässt. Eines ist sicher: In diesem Bereich wird sich in den nächsten Monaten einiges tun.

Deutschland wird mobiler
Dass im Digitalen Deutschland immer stärker alles mobil passiert, zeigt die neue comScore-Studie „2013 Future in Focus – Digitales Deutschland Report“. Danach waren 12/2012 51% der Handys Smartphones und haben 14% der deutschen Smartphone-Nutzer 12/2012 Produkte oder Services via Smartphone erworben.

Berufsbild Social Media Manager
Nina Kalmeyer hat sich das Berufsbild des Social Media Managers angesehen und wundert sich, warum – wie in einer aktuellen BITKOM-Studie – nur das Aufgabengebiet der Unternehmenskommunikation in die sozialen Medien gehoben wird. Die Aufgabe bedeutet eigentlich viel mehr. Das kann ich als Studienleiter für die Ausbildung zum Social Media Manager nur unterstreichen.

Berufsbild Social Media Experte
Was macht diese „Social Media Experten“ eigentlich aus? Daniel Schöberl schreibt: Wichtiger als Prüfungen, Verifizierungen und Bezeichnungen sei es, „dass sich die jeweiligen Personen ständig neu von der rasanten Entwicklung des Social Webs begeistern lassen und authentisch netzwerken, gemischt mit einer großen Portion Spaß.“ Das ist verdammt wahr.

Kundenservice im Social Web
Ich bin zwar kein großer Freund von Beiträgen à la „14 Tipps zum Glücklichsein“ u.ä.. Aber die 66 Tipps, die Christian Müller in der Karrierebibel zum Thema Kundenservice via Social Media niedergeschrieben hat, kann ich jedem Unternehmen nur als dringenden Lesestoff empfehlen.

Der Weg zum Corporate Blog
Da ich im Verlauf der letzten Seminare und Vorträge viel über die Bedeutung von Blogs gesprochen habe, passt dieser Beitrag ganz prima ins Thema: Die bekannte Bloggerin Heidi Cohen gibt eine hervorragende Anleitung, wie man sein eigenes Blog starten sollte.

Richtig verlinken leicht gemacht
Tobias Gillen hat sich die Mühe gemacht, einfach verständlich aufzuzeigen, wie Nachrichtenportale – aber auch andere – korrekt auf Beiträge in den sozialen Medien verlinken sollten. Gerade die klassischen Medien haben da doch so ihre Problemchen ;-).

Der Start ins Online-Marketing

Immerhin weiß ich seit heute schon mal, mit welchem Bild ich künftig meine Online-Marketing-Seminare starten werde. Denn einen viel besseren Überblick als diese „Tubemap“ von der britischen Digital Marketing-Agentur Hallam Internet kenne ich derzeit wirklich nicht.

Die Online-Marketing Infografik "Tubemap" von Hallam Internet

Die Online-Marketing Infografik „Tubemap“ von Hallam Internet

Kampagnen sollten auch nachhaltig sein

Dove hat sicherlich eine der für mich besten Kampagnen geschaffen: Die „Initiative für die wahre Schönheit“: Eine Kampagne, die auf Studien und Umfragen basierte; eine Kampagne, die sich immer weiter entwickelte; eine Kampagne, die mit vielen Medien spielte; eine Kampagne, die auch andere – wie z.B. Brigitte – damals ansteckte und Nachahmer fand, selbst aktiv zu werden; eine Kampagne, die auch in unserem PR-Buch als Gastbeitrag auftauchte; eine Kampagne, von der es in Windeseile mehrere Tausend Kopien, Weiterentwicklungen wie Parodien im Netz gab, die eine intensive Nutzung der User mit einer Marke, einer Initiative bzw. ihren Aussagen widerspiegelte. Einer Marke kann nichts wirklich besseres passieren.

Jetzt, rund 10 Jahre später, scheint Dove greift es jetzt wieder in einem Video auf.

Christoph Salzig @pr_ip, über dessen Tweet ich auf die Kampagne gekommen bin und das dieses Gedankenspiel mit „verursacht hat“ lobt berechtigt: Das nächste Plädoyer für mehr Ehrlichkeit in der gesamten Kommunikation (inkl. Werbung!). Sehr nett! Weiter so! #Dove.

Gleichzeitig beginne ich in solchen Retro-Momenten gerne zu recherchieren, was aus den Anfängen passiert. Richtig: Die drei zentralen Videos mit dem bekanntesten Dove Evolution an der Spitze, sind noch immer zu finden, wenn auch wegen Gema-Problemen teils nicht ganz einfach. Und die zentrale Seite der Kampagne selbst?

Schlecht gelaufen und peinlich zugleich
Der zentrale Hub der damaligen Kampagne hieß: www.initiativefuerwahreschoenheit.de. Und heute? Beim Anblick dieses Bildes werde ich etwas knurrig.

Das war einst der Hub für die Initiative für wahre Schönheit.

Das war einst der Hub für die Initiative für wahre Schönheit.

Denn wenn heute auf einst hochgelobten Kampagnenseiten die Aussage prangt „diese Domain steht zum Verkauf“, dann frage ich mich nach der Nachhaltigkeit. Schließlich sollte auch diese Kampagne nachhaltig wirken. Doch wenn dort Google AdWords für Brustvergrößerungen, Formverbesserungen im Intimbereich und Schönheits-OPs in Tschechien werben, dann zeigt die Seite sogar genau das Gegenteil, für was die Marke doch einstand. Sicherlich nicht so von Dove gewollt – aber trotzdem passiert. Muss das sein?

Von Dove zu Görtz
Szenenwechsel: Vor ein paar Jahren pushte Görtz eine große Mitmach-Kampagne samt Gewinnspiel: Der Titel „Take a step. Take a picture“ hatte die Schuhkette ein Gewinnspiel gestartet. Wer heute www.take-a-step-take-a-picture.de eintippt, landet – ja, genau dort – wieder auf einer verlorenen, nur noch mit Google Anzeigen bestückten Seite.

Warum hat in diesem Fall die Schuhkette diesen Account nicht übernommen und ihn auf ihre Homepage oder ihre Kampagnenseite umgelenkt? Schließlich gibt es bis heute allein bei Google rund 24.900 Ergebnisse, die teils noch auf dieses Gewinnspiel direkt hinweisen. Mit diesem Google-Juice hätte diese Kampagne eine gewisse nachhaltige Wirkung auf den Urheber Görtz gehabt. Nein, Kampagne beenden, Kampagnenseite löschen, neue Ideen suchen. Sinnvoll?

Daher frage ich mich schon: Ist es nicht auch die Aufgabe von Kampagnen, das Image der Marke mittelfristig zu begleiten oder zumindest zu unterstützen? Oder passen die Begriffe Nachhaltigkeit und Kampagnen nicht zusammen? Sie müssten doch eigentlich dringend – mit Ausnahmen. Oder?