Das Ende eines Jahres ist immer auch der Blick in die Zukunft, was so viel wie das nächste Jahr bedeutet. Was ist dort zu erwarten, gerade in einer Branche, die mit Volldampf von der einen Entwicklung zur nächsten rauscht und viele Marktteilnehmer erstaunt, überrascht, ungläubig, begeistert bis entgeistert zurücklässt? Und das innerhalb einer Blase, die immer stärker den Blick nach draußen verwischt und verliert und in der viele diese bereits mit der Wirklichkeit irrtümlicherweise verwechseln? Ich habe mal einen etwas anderen Blick probiert, auch wenn ich einigen der Prognose nicht alleine dastehen werde.
1) Der eiserne Blick der Controller
In den vergangenen Monaten wurde viel über Ziele und über Monitoring diskutiert. Was mir auffiel: Es wurde vor allem über Social Media Ziele gesprochen. Oder generell über Ziele in der digitalen Kommunikation. Nur, wenn ich einmal die Haltung eines Geschäftsleiters übernehme: Was bringt mir eine hohe Interaktionsrate? Ein hoher Retweet-Quotient? Eine steigende Klickrate oder Click-Through-Rate? Aus Unternehmenssicht erst einmal nichts. Gar nichts. Denn jede Erhöhung könnte auch mit einem Problem, einem Skandal, einem Missverständnis, mit einem kommunikativen Beschleunigungsgrund zu tun haben. Und außerdem: Wie zahlen solch steigende Zahlen auf das Unternehmensergebnis ein?
Genau die Beantwortung dieser Frage wird eines der Top-Trends des Jahres 2017. Übersetzt heißt dies: Auch die digitale Kommunikation wird immer stärker ins Auge des Controllings geraten, sie wird diskutiert werden, in Frage gestellt werden. Sie muss bei der Erfüllung von übergeordneten strategischer Zielen vergleichbar sein, gerade aus Sicht anzustrebender ganzheitlicher Erfolgsergebnisse. Dieser notwendige Umdenkungsprozess war übrigens eines der Hauptgründe, warum ich das Buch über „Die digitale Kommunikationsstrategie“ geschrieben habe, das vor wenigen Wochen herausgekommen ist.
2) Maschinen statt Menschen
Mit dem Zeitalter der Messenger hat auch das Zeitalter der Bots begonnen. Dies ist kaum jemand verborgen geblieben. Dazu genügt es, sich nur ein paar wenige Aspekte vor Augen zu führen:
Messaging Apps vs. Social Networking Apps
Stichwort Messenger: Während die App-Nutzung generell zurückgegangen ist, hat die Nutzung der Messenger-Apps die Nutzung der Social Networking-Apps seit Ende 2015 bereits übertroffen (siehe Abb.). Und es gibt kaum ein Grund, der gegen ein Fortschreiten dieses Trends spricht. Denn sie werden vielfältig eingesetzt: 1-to-1 für Beratung und Service, 1-to-many für Informationen per Newsletter.
Stichwort Bots: Die Facebook Messenger Plattform zählt bereits heute weltweit über 35.000 Bots, damit Unternehmen automatisiert mit ihren Zielgruppen „kommunizieren“ können. Tendenz weiter wachsend. Die Einsatzbereiche der automatisierten Tools sind dabei vielfältig: Ob zur Information, als Service oder für den eCommerce – und natürlich in jeglicher Mischform.
Ihr Zeitalter wird in 2017 erst wirklich beginnen, mit allen positiven Chancen wie negativen Auswirkungen. Und die Frage: „Ist das jetzt ein Mensch oder eine Maschine“ werden wir immer seltener beantworten vermögen.
3) Rückzug ins Private
Während „private“ 1-to-1-Tools ihren Siegeszug bei den Usern feiern – egal ob sie jetzt WhatsApp, Facebook Messenger, WeChat oder Snapchat heißen –, ist die Bereitschaft der Nutzer, sich öffentlich in den Netzwerken zu äußern, spürbar zurückgegangen. Dies ist eine hoch interessante Entwicklung: Nutzten die Menschen ursprünglich das Internet, um sich darzustellen, schrittweise an Einfluss zu gewinnen und ihre Macht auszuüben, wie Professor Peter Kruse einst so beeindruckend wie einfach innerhalb von 3 Minuten erklärte, ziehen sie heute wieder in eine private Öffentlichkeit zurück. Das bedeutet nicht, dass die Menschen Facebook und Co. ganz den Rücken zugekehrt haben – allein die knapp 30 Mio. Facebook-Mitglieder in Deutschland sprechen dagegen. Vielmehr hat sich die Nutzung verändert: Vom aktiven Posten und Mitteilen, zum passiven Lesen und Beobachten.
Dieser beschriebene Rückzug ins Private wird durch die immer stärkere Verbreitung der Messenger Dienste weiter an Kraft gewinnen, wobei der Gewinner gerade in Deutschland ganz klar die Facebook-Produktfamily sein wird.
4) One Tool fits all
Eng mit den ersten beiden Punkten ist die Frage nach der künftigen Heimat der User, vom technischen Blick aus. Ein Blick nach Asien auf den allmächtigen WeChat Messenger erleichtert die Beantwortung der Frage, warum benötigen wir eigentlich noch so viele Apps? Genügt hier nicht ein Tool, über da sich zumindest die große Mehrheit aller Aktivitäten abwickeln lässt? Ja, es scheint zu genügen.
Und wer sich vor Augen führt, wie stark Facebook gerade die Entwicklungen bei WeChat als digitalen Alleskönner mit Argusaugen verfolgt, der weiß, wie das Duell in Deutschland heißen wird: Facebook und seine Family gegen den Rest der Welt. Und zumindest für 2017 heißt auch hier der eindeutige Gewinner: Facebook.
5) Digitaler Split
Wechseln wir auf eine andere Ebene. Die hohe Dynamik in der digitalen Branche wird immer stärker zu einer Überforderung vieler Menschen führen. Schon vor vielen Jahren warnte der damalige SPD- Kanzlerkandidat Peer Steinbrück von einer digitalen Spaltung der deutschen Gesellschaft. Es drohe „eine Spaltung in eine digitale Elite und ein digitales Analphabetentum, das hoffnungslos abgehängt werde“, so Steinbrück auf der CeBIT 2013.
Diese Spaltung, dieser digitale Gap ist heute bereits da, wie zentrale Studien wie der D21-Digital-Index jedes Jahr von neuem verdeutlichen. Mangelnde Digitalkompetenz quer durch die Bevölkerung war auch die Kernaussage der im November publizierten Ausgabe 2016. Danach liege der Digitalisierungsgrad der Deutschen „weiterhin bei 51 von 100 bestmöglichen Punkten und entspricht damit einem gerade so Schritt-halten-Können mit den wachsenden Anforderungen durch die Digitalisierung“.
Diese Spaltung in digital „ready“ und digital „lost“ wird sich weiter vertiefen, auch da viele Branchen sowie die Institutionen die Folgen und Chancen verschlafen und Change-Prozess mit Blick auf die Möglichkeit eines Scheiterns vermeiden, wie beispielsweise der Investor Frank Thelen zu Recht anmahnt: „Du musst dein bestlaufendes Produkt oder dein gewinnbringendstes Businessmodell jederzeit hinterfragen und notfalls killen können. Die Bereitschaft dazu sehe ich in Deutschland nicht. Und das ist unser Problem.“
6) Digitaler Burnout
Die Allmacht der Digitalisierung inklusive ihrer kommunikativen Instrumente führt schon heute zu einer Überforderung – und zu wirklichen Opfern. Begriffe wie „Information Overload“, „Content Shock“ oder „Slow Media“ sind hier nur der Anfang. Gerade unter Menschen, die dem Prozess nicht mehr folgen können oder wollen, lässt sich vom Prinzip des „Digitalen Burnouts“ sprechen. Weil sie dem Tempo nicht mehr folgen können, weil sie auf die enormen Veränderungsprozesse nicht vorbereitet sind, weil sie aus einer gewohnten Umgebung herausgerissen werden, die ihnen eine – trügerische – Sicherheit vermittelt hatte, weil von ihnen Dinge und Changes gefordert und erwartet werden, weil sie eine innere Ruhe gegen neue Horizonte eintauschen müssen, was viele als ungemein spannend, andere als erschreckend und verstörend wahrnehmen. Über diese überforderte und sich gleichzeitig selbst überfordernde Gesellschaft habe ich kürzlich erst geschrieben.
Nur: Wo ist hier die Lösung in einer hoch vernetzten und jeden Tag noch stärker digitalisierten Welt? In einer Welt, in der niemand den Stecker ziehen wird und kann, um vielen wieder etwas mehr innere Ruhe zu gönnen, bevor die nächste Veränderungswelle kommt? Nein, diese Überforderung wird auch 2017 weitergehen – und unsere Gesellschaft noch stärker spalten: In Menschen, die die digitale Change-Prozesse in Unternehmen und in der Kommunikation als Chance erkennen, verstehen und auch aushalten können; sowie in Menschen, die immer stärker den Veränderungen unterliegen, die aber in unserer Gesellschaft teils auch notwendig sind.
Ist das jetzt ein Schrei nach dem neuen Offline? Nein, nicht ganz und nicht unbedingt. Aber das ist eine andere Geschichte, die ich noch erzählen werde. Aber nicht als Trend. Und nicht heute.
Welche entscheidende Rolle spielen die CEOs, eine moderne HR-Abteilung und auch eine sich weiter entwickelnde Organisation im Rahmen der digitalen Transformation? Eine ganz entscheidende, beschreibt Holger Schmidt in seinem Beitrag.
Strategie | Social Media wegdelegieren? Kannst du so machen, aber …
Wahre Worte von Meike Loepold, um Social Media aus seinem Silo zu lösen: Unternehmensführung muss „die Social-Media-Strategie mit einem ganzheitlichen Ansatz vorantreiben und förderen, statt das Thema einfach weg zu delegieren.“
Strategie | Interview Michael Schmidtke (Bosch)
Webseiten bleiben bei Bosch vorne im digitalen Medienmix. So Michael Schmidtke, Director Digital Communication, in einem Gespräch über digitale Unternehmenskommunikation. Schließlich erwarten Stakeholder in einer vernetzten Welt einen einfach zugänglichen Ort, an dem alle relevanten Informationen übersichtlich dargestellt sind.
Messenger | Übernehmen die Bots Marketing und Service?
Wie lassen sich Bots sinnvoll für Service und Marketing einsetzen? Worin bestehen die besonderen Herausforderungen? An einem Beispiel Thomas Wilde auf, wie eng ein Bot in die Serviceprozesse integriert werden muss.
Messenger | Facebook Messenger Marketing
Stichwort Messenger: Welchen Stellenwert dieser mittlerweile hat und welche konkreten Entwicklungen und Möglichkeiten die Messenger-Plattform bietet – für Information, Service, eCommerce etc., das zeigt ein ausführlicher Beitrag von Jan Firsching.
Recht | Kündigung wegen Post oder Tweet?
Mitarbeiter als Markenbotschafter, was für ein Traum. Nur was passiert, wenn sich dieser nicht im Sinne des Unternehmen verhält. Ein Alptraum? An einem konstruierten wie realen Beispiel beschreibt Nina Diercks, wie solch eine Situation rechtlich ausgehen könnte und wie sich Unternehmen davor schützen sollten.
Medienarbeit | Relaunch des R+V-Newsrooms – Suitbert Monz im Interview
Social Media Newsrooms werden immer wieder diskutiert. Einer der Pioniere in Deutschland ist die R+V Versicherung, die im Ende 2016 ihren Newsroom relauncht hat. Was sie damit erreichen will, erklärt Suitbert Monz im Interview.
Werbung | Affiliate Marketing für Anfänger – Möglichkeiten und Tipps
Guter Beitrag für Einsteiger: Wie funktioniert Affiliate Marketing? Und welche Möglichkeiten gibt es? Jasmina von der onlinelupe klärt kompakt auf.
Facebook | Insider packt aus: So funktioniert Facebooks Melde-Prozess
Hochinteressant zu lesen: Was passiert, wenn ein Posting gemeldet wird? Wer kümmert sich um Hatespeech, Terrorismus, Nacktheit etc.? Und wie werden vorhandene Regeln konkret angewendet? Ein Ex-Mitarbeiter lässt etwas hinter die Kulissen blicken. Auf Teams, Arbeitsweisen, Zeitdruck.
Instagram | Instagram-Werbung für Unternehmen: eine Einführung
Wie lässt sich Instagram-Werbung einsetzen? Welche Unternehmensziele können dort verfolgt werden? Wie erfolgt die Verknüpfung mit Facebook? Gute Einführung mit vielen Basics wie Zielen, Formaten, Inhalten, Messung.
Influencer | Influencer Marketing ohne Fallstricke: Zum Status quo der Kennzeichnung
Wo liegen die rechtlichen Fallstricke beim Influencer Marketing? Was kann passieren? Und wie sieht die aktuelle Rechtslage aus? Medienanwalt Stefan Engels gibt Einblicke in das heute und das morgen: „Es wird Schritt für Schritt dem Recht zur Geltung verholfen werden.“
Training | Was du schon immer über Workshops wissen wolltest
Klasse Anleitung mit vielen nützlichen Tipps für alle Agenturen, Coaches und Trainer: Vorbereitung, Methoden, Analyse – so läuft ein Workshop ab.