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Wenn die Hoffnungen der Ärmeren auf Wasser gebaut sind: Gedanken zu #Kroatiens EU-Beitritt

Am 1. Juli tritt Kroatien als 28. Mitgliedsland der Europäischen Union bei. Auch wenn es letztendlich von der EU-Kommission nach den bislang längsten Beitrittsverhandlungen grünes Licht bekam, sind Zweifel an der Beitrittsfähigkeit nicht verstummt. Ist das Land schon bereit, Mitglied dieses aktuell eher erweiterungs- und wirtschaftsmüden Gebildes zu sein? Warum findet dies schon jetzt statt – abgesehen von militärisch-strategischen Aspekten? Müsste Kroatien nicht erstmals selbst Maßnahmen ergreifen, um Herr von Korruption und Misswirtschaft zu werden?

Durch unsere „Stiftung für soziale Zwecke“ bin ich in den letzten Jahren viel durch dieses schöne wie vielfältige Land gereist. Meine Beobachtungen und die vielen Gespräche mit dortigen Stiftungen und sozial engagierten Menschen lassen mich mit vielen Fragezeichen die aktuellen Feierlichkeiten beobachten. Nicht falsch verstehen: Ich hoffe das Beste für dieses mutige Land. Als überzeugten Europäer überkommen mich aber Zweifel,

    • wenn ich aus den Statistiken herauslese, dass das Bruttoinlandsprodukt in den letzten Jahren nicht gewachsen, sondern 2012 um 2 Prozent gefallen ist und diese Rezession bereits 5 Jahre lang andauert;
    • wenn ich lese, dass die Arbeitslosigkeit bei 21 Prozent liegt, die Jugendarbeitslosenrate die zweithöchste in Europa nach Spanien ist, ein Arbeitslosengeld aber nur für 6 Monate bis maximal 1 Jahr bezahlt wird;
    • wenn laut nationaler Statistiken von den 4,3 Millionen Einwohnern rund 1 Million unter der Armutsgrenze und 1,75 Millionen an der Armutsgrenze leben;
    • wenn Verantwortliche wie der frühere Außenminister und künftige EU-Parlamentarier Tonino Picula auf die paradoxe Situation hinweisen, dass junge Menschen in Kroatien tendenziell schlechter leben werden als ihre Eltern;
    • wenn ich bedürftige Menschen besuchen will und diese samt Kindern in Heizungskellern finde, zu denen auf Häuserrückwänden versteckte Kellertreppen oder ein geöffnetes Fenster führen;
    • wenn ich zu Familien in Wohnungen komme, die mit ihren sechs schulpflichtigen Kindern in zwei Zimmern und auf 40 Quadratmetern beengt leben und sich sogar noch glücklich schätzen dürfen;
    • wenn ein Sozialsystem die Armen mit genau 100 Euro pro Monat und pro Familie „unterstützt“ – und dies bei den vierthöchsten Wohnungsnebenkosten in Europa;
    • wenn die Kosten für einen Kindergartenplatz bei monatlich 100 Euro pro Kind liegen und damit nur von Familien mit mittlerem bis höherem Einkommen finanziert werden können;
    • wenn das Bildungssystem zwar 18 Prozent aller Kroaten ein Studium ermöglicht, diese aber – wie von uns geförderte Studentinnen regelmäßig berichten – nach Abschluss keine Chance auf einen Job haben, da nur „Beziehungen“ zählen;
    • wenn ich an die Bosnier und Roma denke, die teils versteckt als Heimatlose im Land leben, in Kroatien unerwünscht sind, aber nicht in ihre Heimat zurückdürfen, da diese nach dem Kriegsende nicht mehr existiert oder von anderen „besetzt“ ist;
    • wenn ich in Zagreb einerseits Marmor-Einkaufspassagen mit Luxus-Labels drin und Edelkarossen davor, andererseits wirkliche Blechhüttensiedlungen besuche, also Arm-Reich-Spannen, wie ich sie selbst bisher live nur in Südamerika erlebt habe;
    • wenn ich den unglaublichen Reichtum vieler Menschen sehe, ob aus traditionell-familiärem Hintergrund oder aber als „Neu-Reiche“, deren plötzliches Kapital aus eher unbekannten Quellen stammt und die daher von Bewohnern mit Namen wie „Warlords“ oder „Kriegsgewinnlern“ betitelt werden;
    • wenn ich an den religiösen Symbole in den Wohnungen erkenne, wie der tiefe Glaube gerade der Armen Lösung und Problem zugleich ist, da die Kirche einerseits sich als einzige um sie kümmert, andererseits aber mit ihrer Ablehnung von jeglicher Verhütung viele familiäre Probleme indirekt mitfördert;
    • wenn ich mir über das Land verteilt die noch von den Balkankriegen sichtbar gebliebenen, zerstörten Häuser ansehe und in den Gesprächen den bei vielen noch immer brodelnden Hass gegenüber Serben – einem weiteren baldigen EU-Aspiranten – höre;
    • wenn eine frühere Europa-Begeisterung angesichts der Geschehnisse in Griechenland oder Slowenien kräftige Risse bekommen hat und sich viele trotzdem weiterhin an diese einzige, von den politischen Verantwortlichen genährte Hoffnung klammern.

    Und die Lösung? Ich habe keine. Nur bin ich skeptisch, wenn Hoffnungen jetzt auf das Konstrukt Europa gesetzt werden. Probleme können nur innerhalb des Landes von den Menschen selbst gelöst werden. Ansonsten kann sich die jetzige Skepsis gegenüber Europa schnell in einen Alptraum verwandeln – in erster Linie für Kroatien, aber auch für Europa.

Die Lesetipps in den Gedankenspielen vom 20. Juni 2013

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Was ist ein Browser? #neuland

In vielen Seminaren klopfe ich zu Anfang gerne die zentralen Begriffe der Online-PR-, Online-Marketing- oder Social Media Welt ab. Dies ist für mich eine der zentralen Voraussetzungen, damit jeder später auch wissenschaftlich wie praktisch seriös mit den heutigen Instrumenten umgehen kann.

Warum diese Vorgehensweise durchaus noch seine Bedeutung hat, zeigt dieses nette Video, bei dem die Jungs von Sistrix 30 Passanten in Bonn die einfache Frage gestellt haben: „Was ist ein Browser?“ Ergänzt mit dem nicht unwesentlichen Zusatz: „Und worin liegt der Unterschied zu einer Suchmaschine?“ Hätte es jeder gewusst? Ich hoffe doch!

 

Ach ja: Immerhin ist das Ergebnis nicht mehr ganz so erschütternd im Vergleich zu den Aussagen von Politikern vor ziemlich genau fünf Jahren zur selben Frage. Dies als klitzekleiner Hinweis zum heutigen Top-Thema #neuland ;-). Oder wie war das mit Angela Merkels heutiger Aussage, dass das Internet für alle noch neu ist?

Ausstellungstipp: Der World Press Photo Award in Berlin

Trauer, Leid, Schreie, Tränen, Verzweiflung. Tiefe Gefühle bestimmen die  Ausstellung zum diesjährigen World Press Photo Award, die derzeit im Berliner Willy-Brandt-Haus gastiert. Bis zum 7. Juli sind die 143 Siegerfotos von 54 internationalen, preisgekrönten Fotografen noch in der SPD-Zentrale – leider nur im Erdgeschoss – zu bewundern. Und jeder sollte es.

Gerade die Bilder aus den Kriegsgebieten machen diese Ausstellung zu einem eindrucksvollen wie erbarmungslosen Spiegel der heutigen Kriege, von brutalen Verwüstungen und der grauenvoll darunter leidenden Bevölkerung. Neben dem Gewinnerbild von Paul Hansen, einer Gruppe von Männern in Gaza-Stadt, die zwei Kinder zu Grabe trägt, sind mir persönlich vor allem diese drei Bilder in Erinnerung geblieben, die mich nicht mehr loslassen.

Und ja, die Bilder tun teils richtig weh – und das sollen sie auch. Denn Krieg, Kämpfe, Vertreibungen ist ein Grauen, den niemand ertragen will. So sind solche Bilder auch immer als Aufrufe zu verstehen, einzugreifen und das Schreckliche des Schreckens zu verhindern oder zu beenden. Auch wenn es meist niemand tut.

Berliner Taxifahrer gegen das Leistungsschutzrecht

Zumindest so muss man diesen beschrifteten Kopfstützen-Überzug verstehen, der während exakt 15 Minuten und einem Kostenpunkt von 18 Euro vor meiner Nase mir diese wahre Information einflüsterte. Ist er nicht sympathisch, dieser Überzug?

Berliner Taxifahrer gegen das Leistungsschutzrecht

Berliner Taxifahrer gegen das Leistungsschutzrecht

Goldbach publiziert Social Media Monitoring Tool Report 2013

Goldbach Interactive hat auch für das Jahr 2013 wieder einen Social Media Monitoring Tool Report erstellt. Dazu wurden aus über 300 identifizierten Tools die ihrer Meinung nach wichtigsten Top-Tools identifiziert. Daneben hat Goldbach die Bereiche Individualisierbarkeit von Reporting Dashboards, erweiterte Reporting Funktionen und breitere Quellenabdeckung als Top Trends diesen Jahres definiert.

Auch wenn ich mir eine Einschätzung der Kosten als Kriterium gewünscht habe – dieser Punkt fehlt leider auch in dem ausführlichen Bericht dazu –, so gibt der Report doch einige nützliche Anhaltspunkte bei der nächsten Suche nach dem richtigen professionellen Monitoring Tool. Obwohl zur endgültigen Bewertung hilft es wahrscheinlich nur, die eigenen Anforderungen jeweils anhand von Test-Accounts zu überprüfen.

Infografik Social Media Monitoring Toolreport 2013, Goldbach Interactive (Switzerland) AG

Radicati Group: E-Mail-Nutzung steigt weiter an

Wie war das nochmals mit der immer wieder auftauchenden Story vom Ende der E-Mail? Diese Sage verschieben wir wohl besser in die fernere Zukunft. Laut der Radicati Group wird pro Tag weiterhin die unglaubliche Summe von 183 Mrd. E-Mails versendet. Im vergangenen Jahr hatten die weltweit 2,2 Mrd. E-Mail-Nutzer „nur“ 144 Mrd. versendet.

Auch wenn Prognosen gerade in der sich so schnell wandelnden Online-Welt schwer sind: Dem E-Mail-Marketing wird eine weiterhin hohe Bedeutung beigemessen. So wird laut Radicati gerade die Zahl der Business-Mails weiter steigen. Bis zum Jahr 2017 wird insgesamt mit einem Wachstum von gut 30 Prozent gerechnet.

Die tägliche E-Mail-Nutzung steigt bis 2017 weiter an.

Radicati Group: E-Mail-Nutzung weltweit weiter steigend

Dass im Gegenzug die Zahl der privaten E-Mails in den nächsten fünf Jahren leicht zurückgehen soll, ist nicht weiter überraschend – und könnte nach meiner Einschätzung sogar noch deutlich stärker werden. Gerade WhatsApp, Skype, Facebook Messenger u.ä. sorgen weltweit dafür, dass die Nutzer einen immer größer werdenden Anteil ihrer privaten Kommunikation vom Medium E-Mail in die Messenger Services verlagert.

Die Radicati-Zahlen passen gut auch zu einer Studie des Wallstreet Journals aus dem Februar diesen Jahres: Danach halten 65% der Deutschen E-Mail am Arbeitsplatz für unverzichtbar, 72% finden in den sozialen Kommunikationsformaten keine Alternative zur E-Mail.

Also liebe, mich oft so nervende E-Mail: Du musst wohl noch ein paar Jährchen länger leben.

Storytelling-Trend: Ein Mann, sein Produkt, das Video

Es ist doch schon auffällig: In einem Video läuft ein Mann durch seine (Produkt-)Welt. Genau nach diesem Storytelling-Prinzip sind extrem viele und dazu wirklich erfolgreiche Kampagnen aufgebaut.

In all diesen Fällen – und die hier erwähnten sind nur ein paar Beispiele, die mir spontan in den Kopf kamen – gibt es immer einen Protagonisten, der die Geschichte seiner Traditionsmarke (Whiskey, Wein, McLaren) bzw. Geschichten um seine Marke (Rasierer, Holland) erzählt – unabhängig davon ob es sich dabei um ein Getränk, ein Reiseziel oder eine Automarke handelt.

Und was machen wir als Betrachter? Wir folgen dem Erzähler staunend auf seinem Weg, wie er uns durch seine Produktwelt führt und dabei die Geschichte seiner Marke erzählt.

Johnnie Walker: Die Geschichte der schottischen Whiskey-Marke

Wein: Die Geschichte zur kalifornischen Weinmarke

McLaren: Die Geschichte zum 50-jährigen Jubiläum

Rasierer: Die Geschichte des Dollar Shave Club

Holland: Die Geschichte vom coolen Nachbarn

Welche Beispiele würden euch/Ihnen noch einfallen, die auch diesen Trend aufgegriffen haben bzw. nach diesem Schemata aufgebaut sind? Ich erinnere mich noch an eine Biermarke, die ihre Geschichte ähnlich erzählt.

Die Lesetipps in den Gedankenspielen vom 07. Juni 2013

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Altkleidercontainer-MashUp: So einfach wäre Online-Mehrwert

In meinen Beratungsprojekten diskutieren wir derzeit viel über Themen wie Medien- und Social Media Strategien. Dabei steht zumeist die Frage nach dem Mehrwert von Online-Maßnahmen im Zentrum, der für manche Branche nicht immer ganz einfach zu finden und zu definieren ist. Andere verpassen dagegen die Chance, mit einfachen Online-Maßnahmen einen wirklich guten Service als Mehrwert zu bieten. Eines dieser Beispiele ist mir heute begegnet.

Kurz zum Hintergrund: Pünktlich zum Sommerstart – hoffen wir mal – habe ich meinen Kleiderschrank etwas ausgemistet. Dabei entdeckte ich u.a. einen alten Anzug und ein Hemd, die beide noch völlig okay sind, die ich aber in den letzten 2-3 Jahren nie getragen habe. Warum nicht eine gute Sache tun und die Kleider an ärmere Leute spenden, dachte ich mir.

Auf der Suche nach dem nahen Container
Dazu fielen mir sofort die großen Kleidercontainer ein, die jeder von uns schon mal gesehen hat. Also stellte ich mir die Frage, wo diese Container denn genau stehen könnten. Welcher wäre für mich der nächste? Steht vielleicht einer sogar in einer Nebenstraße? Also begab ich mich auf die Suche.

Im Netz entdeckte ich bei einem Straßenführer durch Berlin diese Liste mit 388 Altkleidercontainern in Berlin. „Entdecke neue und beliebte Altkleidercontainer“ warb die Seite. Was für ein Mehrwert ein besonders beliebter Container dem Website-Besucher bringen soll, ist mir unklar. Viel lieber hätte ich gewusst, ob einer dieser 388 Container vielleicht in meiner Nähe steht.

Als Antwort auf meine Frage ging ich auf die Seite des Deutschen Roten Kreuz, die schließlich sich um die Inhalte der Container kümmert. In einem wirklich detaillierten Beitrag „Transparenz-Initiative Altkleider“ informierte das DRK über die Gründe und den Ablauf des Sammelns, den Verwendungszweck und vieles mehr. Nur mit meiner Kernfrage kam ich auch hier nicht weiter. Schade eigentlich. Denn sollte das Sammeln von Altkleidern nicht möglichst einfach gemacht werden?

Der Weg zum Altkleidercontainer-MashUp
Die Lösung wäre doch logisch und leicht umsetzbar: Man nehme diese wunderbaren 388 Adressen von Altkleidercontainern – und diese allein für Berlin, kombiniere diese Adressen mit dem Kartenmaterial von OpenStreetMap, wie es beispielsweise Wheelmap.org so vorbildhaft gemacht hat, und bilde daraus das MashUp. Jeder mögliche Kleiderspender würde künftig sofort den Ort finden, wo er seine Kleider in die Klappe werfen könnte. Ach ja: Die passende Domain mit Altkleidersammlung.org wäre laut nic.com auch noch frei.

P.S.: Was ich mit meinen Sachen dann schlussendlich gemacht habe, darüber schweige ich heute besser.

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