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Eine überforderte Generation?! Ein nachdenklicher Blick auf „uns“.

 

Nachdenklich würde ich die Phase nennen, die ich derzeit durchlebe. Sehr nachdenklich. Vieles passiert gerade um mich herum. In meinem direkten privaten Umfeld. Aufregendes und Aufwühlendes zugleich. Die Digitalisierung mit ihrer Vielfalt an Möglichkeiten und Instrumenten spielt ihre Rolle. Aber eher als Verstärker und Beschleuniger. Für eine überforderte und sich selbst überfordernde Generation. Doch um was geht es konkret? Oder anders gefragt: Woran krankt die Gruppe?

Freunde, die mit einem Schlaganfall zusammenbrechen, die sich selbst in psychatrische Kliniken einweisen, die ihren hoch bezahlten Stress-Job gegen einen qualitativ schlichteren einlösen, die vor dem Hintergrund hoch anspruchsvoller Aufgaben nicht mehr schlafen, die sich von Depressionen geplagt aus dem Fenster stürzen, die sich angstvoll vor der nächsten E-Mail fürchten, die ihren Psychiater als ständigen Begleiter benötigen, um wieder den eigenen Weg zu finden oder die eines Tages ausbrechen, aufbrechen und aussteigen.

Alles real. Alles Personen zwischen 40 und 50 Jahren. Alles Angestellte, Bereichsleiter, Geschäftsführer. Meist mit Verantwortung für sich und für andere. Mit Anforderungen, vor denen sie plötzlich kapitulieren. Weil sie sich überfordert fühlen. Weil sie am Rande ihrer Kräfte sind. Weil sie nicht mehr können. Weil sie immer weniger weiterwissen. Dann ist der Moment da, der mit einem Schlag vieles verändert: Das eigene Leben, die Familie, die Umgebung, die Existenz. Ja, es läuft etwas falsch in unseren Leben. Zumindest bei vielen. So erlebe ich derzeit das Umfeld meines eigenen Lebens.

Die USA als „Vorbild“
Viele dieser Brüche sind gekettet an eine veränderte Arbeitswelt. Die Zeiten, in denen man noch einen Beruf ergriff und ihn dann sein Leben lang ausführte, ja, die Zeiten sind vorbei. Und dies insbesondere seit meiner Generation. Also von Menschen, die heute grob zwischen 40 und 50 Jahren alt sind. Während sich noch die große Mehrheit unserer Eltern, Großeltern, Onkel und Tanten in ihrem Berufsleben höchstens einmal von ihrem Job trennte – oder aber ungewollt getrennt wurde –, gelten solche Menschen heutzutage als aussterbende Spezies. Für alle anderen gilt: Gestern dort, heute hier, morgen da. Zu Lasten oft von sich selbst und ihrem direkten Umfeld; und übrigens damit auch ihrer Arbeitgeber. Und mit einer zu tragenden Last ausgestattet, deren Gewicht sie sich erst spät bewusst werden. Und häufig deutlich zu spät.

Ich kann mich noch gut erinnern, dass wir vor rund zwei Jahrzehnten mit etwas Verwunderung – in die sich Bewunderung wie Verwirrung mischte – auf den US-amerikanischen Arbeitsmarkt blickten. Mitarbeiter wechselten dort äußerst häufig ihren Arbeitsplatz, gewollt wie ungewollt. Alle zwei bis drei Jahre. „Hire and Fire“ nannte sich das. Auf der einen Seite trug dazu die schwache arbeitsrechtliche Arbeitnehmer-Position bei, die von ihren Arbeitgebern ohne Angabe von Gründen leicht und schnell gefeuert werden konnten. Auf der anderen Seite galt gerade für eine jüngere, gut ausgebildete, nachdrängende Generation das längere Verharren auf einem Job als Zeichen, dass man nicht nach oben wollte, dass man keinen Ehrgeiz hatte, dass man nicht an sich selbst glaubte. Das Ergebnis war ein „Hire and Fire“ – aber intern wie extern provoziert.

Wenn Anforderungen an der Kraft nagen
Eine ähnliche Entwicklung lässt sich immer stärker bei uns in Deutschland beobachten. Und auch hier mit internen wie externen Beweggründen verbunden. Viele jüngere Menschen nehmen das dauerhafte Wechselspiel als ihren persönlichen Change- und Entwicklungsprozess an. Ein befreundeter Agenturchef bezeichnet sein Unternehmen sogar bereits als „eine pure Stufe auf einer Karriereleiter“. Viele jüngere Arbeitnehmer würden kommen, ausgebildet werden, eingearbeitet werden und bald schon wieder nach etwas Neuem streben. Ganz anders das Bild bei vielen älteren Arbeitnehmern, auch bei Selbstständigen. Sie fühlen sich überfordert, mit den immer schnelleren Veränderungen umzugehen.

Ich kenne heute viele, bei denen der Satz „Wie soll ich das heute noch alles schaffen“ zu einem täglichen zentralen Leitspruch geworden ist. Als eine Art Hilferuf, weil sie vielen Anforderungen immer schwieriger und mühsamer genügen können. Nur, was nagt und kratzt konkret an ihren Kräften?

  • Das Alter: Dass mit 40 bis 50 Jahren die Anstrengungen im Berufsalltag nicht mehr ganz so spurlos weggesteckt werden wie mit Mitte 20, das ist verständlich und nachvollziehbar. Die Jahre auf dem Buckel haben Spuren hinterlassen, Energiereserven sind stark ausgeschöpft. Die Wahrnehmungs- und Verarbeitungsfähigkeit haben nicht mehr die vor Kraft strotzende Intensität wie notwendige Leichtigkeit, die sie einst hatten. Und das ist zu spüren. Gerade bei für den Geist und für die Seele anspruchsvollen Aufgaben.
  • Die Konkurrenz: (Fast) Jeder Mitarbeiter ist ersetzbar. Von Maschinen oder von Menschen. Und vor allem dann ersetzbar, wenn die andere Person jünger, fitter und gut qualifiziert ist. Plötzlich merkt der Arbeitnehmer, der Selbstständige, der Freelancer, dass der Begriff „Erfahrung“ doch nicht ein so hohes Gut ist, als was er oftmals beschrieben und gepriesen wird. Wenn die Konkurrenz hinter dem Arbeitsstuhl drückt, so trägt es bei den meisten nicht gerade zu einer Beruhigung des eigenen Nervenkostüms bei.
  • Die Erreichbarkeit: Arbeitnehmer sind heute für ihre Jobs immer da. Selbst in den Ferien. Laut einer Studie sind 60 Prozent der Führungskräfte auch im Urlaub erreichbar. Das ist irgendwie auch nachvollziehbar. Schließlich wollen sie sicher gehen, dass die Geschäfte auch während ihrer Abwesenheit weiterhin gut laufen. Nur gilt dies auch für sonstige Arbeitnehmer. Einer Umfrage des Branchenverbandes Bitkom zu Folge sind 67 Prozent der Arbeitnehmer im Urlaub für ihren Arbeitgeber zu erreichen. Dabei stehen laut Bundesurlaubsgesetz – was es für Gesetze gibt! – jedem Arbeitnehmer mindestens vier Wochen arbeitsfreie Zeit zu, um sich zu erholen. Schon mit Anrufen wird der Urlaubszweck gestört. Nur wer beschwert sich? Niemand. Die Überall-und-Immer-Erreichbarkeit ist für viele fast schon normal. Hinzu kommt: Jeder dritte Beschäftigte ist sich unsicher, ob Kollegen oder Vorgesetzte von ihm erwarten, dass er in der Freizeit auf ihre Kontaktversuche reagiert. Also nimmt er doch lieber die Erreichbarkeit gleich in Kauf.
  • Das Ende des Privaten: Die dauernde Erreichbarkeit ist eng mit einem weiteren Phänomen zu sehen, unter dem unsere Generation leidet – ob bewusst oder unbewusst. Die immer stärkere Vermischung von Privatem und Beruflichem. Die Zeiten, in denen die schönsten Wochen des Jahres dem völligen Abschalten gewidmet sind, fernab von Aufgaben, Verantwortungsbereichen und Problemlösungen, diese sind vorbei. Nur: Wenn es keine Trennung mehr gibt, wird plötzlich alles beruflich und damit Job relevant. Und damit stets involvierend. Völliges Abschalten? Zumindest schwierig.
  • Der Information-Overload: Eine immer stärker digitalisierte Gesellschaft transportiert bei vielen Menschen auch Unsicherheit. Sie haben das Gefühl, nicht mehr mitzukommen. Sie fühlen sich überfordert, angesichts einer kontinuierlich steigenden Anzahl an Informationskanälen, Instrumenten, Quellen, Medien. Sie fragen sich: Wie soll ich diesen Content-Shock noch ordnen und für mich bewerten, um noch „mitzukommen“? Auch bei dem Punkt stellt sich eine Art von Frustration ein, verbunden mit der Angst vor dem Jobverlust und dem langsam aufkommenden Gefühl, vielleicht eines Tages nicht mehr gebraucht zu werden.
  • Die menschliche Ferne: Dass der Studienort nicht mehr dem Ort der Geburt oder der Schule entspricht, daran haben wir uns gewöhnt. Dass die Arbeitsorte sich den Lebensorten immer stärker entkoppeln, setzt noch einen drauf. Mit hohen Auswirkungen auf das Leben. Denn diese Trennung stellt enorme Herausforderungen für Beziehungen und für Familien. Schon heute werden laut Statistik 14 Prozent aller Partnerschaften in einer Fernbeziehung geführt, in denen einer der Partner pendelt und sich beide nur am Wochenende sehen. Der häufigste Grund für diese Form ist der Job. WhatsApp, Skype, dem Facebook Messenger oder FaceTime heißen die wichtigsten Beziehungspflege-Instrumente. Aber wo ist die Person, die einen auch gerade in schwierigen Momenten stützt? Aus den dunklen Gedanken reißt? Die ganz nahe ist, wenn das Schwarze vor Augen immer pechschwärzer wird und keine Lichtstrahlen mehr durchlässt? Die hält, bewahrt, beschützt, aufrüttelt, hilft? Und zwar vor Ort?

Wir, die Kräfte-Nagetiere
Der Umwelt die Schuld für die Last zu geben, die zu heben und zu tragen ist, das wäre zu einfach. Schuld hat an dem „Phänomen“ niemand, höchstens man selbst. Denn wir, die Generation, sind es nämlich auch selbst, die der Situation nichts entgegen setzen, sondern sie aktiv fördern.

  • Der dauernde Ehrgeiz: Auch die 40plus-Generation fühlt sich weiterhin ganz jung. Und sie tut alles dafür, nicht alt zu sein. Der Boom von Fitness-Center-Besuchern und Fitness-App-Downloads auch bei 40- bis 50-Jährigen ist ein gutes Zeichen dafür. Auch beruflich wollen sie weiterhin alles genauso so weitermachen wie bisher. Sie sind ja noch jung. Sie machen sich damit selbst einen gehörigen Druck, dem sie oft kaum standhalten können. Denn sie merken nicht – oder wollen es zumindest nicht wahrnehmen –, dass sich ihre Konditionen verändert haben. Und zwar in erster Linie die Konditionen ihres eigenen Körpers.
  • Der finanzielle Druck: Nach den Phasen der Schule und der Universität oder Lehre haben viele Menschen in ihren eigenen späten 30er-Lebensjahren eine Familie gegründet – oder auf jeden Fall sich ein Zuhause geschaffen. Viele dieser Zukunftspläne wurden auf Kredit finanziert: Eigentumswohnungen, Eigenheime, Familienkutsche, Ferienhäuser. Spätestens in den unsicheren Phasen eines Jobs stellt sich bei Festangestellten (Selbstständige kennen solche Faktoren der Unsicherheit deutlich näher) natürlich sofort die Frage, wie der belastende Kredit noch zu bedienen ist. Bricht an der Stelle plötzlich eine Zukunft wieder zusammen, die sie sich über die Jahre mühsam aufgebaut haben? Eine Zukunft, die auch die eigene Familie betrifft? Gerade solche Ängste können in hohem Maße zu Verzweiflung, zur Unruhe, zu nicht geplanten Taten führen, die nicht nur das eigene Leben zu zerreißen bedrohen.
  • Die eigenen Erwartungen: Der finanzielle Druck ist wiederum oft verbunden mit der Erwartung an die eigene, natürlich perfekte Familie. Gerade Männer erwarten von sich selbst, dass sie ihr alles bieten können. Als Bild nach innen wie nach außen. Hinzu kommt: Viele mir wohl bekannte Menschen haben das Ziel in sich verinnerlicht, auf jeden Fall die gesellschaftliche Stellung ihrer Eltern zu erreichen bzw. sie sogar zu übertreffen. Sie bauen sich damit – auch innerhalb der Familie – einen ungehörigen Druck auf, dem sie in guten Zeiten genügen können, von dem sie in schlechteren Zeiten jedoch schnell erdrückt werden. Aus eigenem Mit-Verschulden.

Out-of-the-Box-Solution? Fehlanzeige
Wenn ich mir solche Verhaltensmuster vor Augen führe – und meine Beschreibung ist mit Sicherheit nur ein kleiner Auszug davon –, dann werde ich nachdenklich. Nachdenklich gegenüber meiner eigenen Generation. Nachdenklich aber auch gegenüber der Generation, die folgt. Denn warum sollte sich diese beschleunigte Entwicklung plötzlich entschleunigen? Solange wir gewollt oder ungewollt, intern wie extern solch einen Druck auf uns ausüben? Finden wir dazu noch rechtzeitig die Bremse? Oder bezeichnen wir uns bald alle als Stadtneurotiker? Mit einem Psychologen oder Psychoanalytiker als ständigen Begleiter? Oder heißt die Lösung „Aussteiger“, was die hohe Beliebtheit solcher TV-Sendungen erklären könnte? Also der Traum von einem anderen Leben, in dem natürlich alles schöner, einfacher, lebensfroher sein wird …

Wie könnte eine Lösung in diesem Dilemma aussehen? Gibt es sie überhaupt? Wahrscheinlich nicht. Zumindest nicht als allgemein gültige „Out-of-the-Box-Solution“. Sicher ist nur: Diese meine Generation muss sich viel bewusster machen, dass ihre Kräfte begrenzt sind, dass es kein ewiges „Weiter-so“ geben kann, wenn sie sich nicht in einer Periode vermehrt auftretender Katastrophen wiederfinden will. Mäßigung, Entspannung, Herunterkommen, Durchatmen, Loslassen, auch Slow Media. Stattdessen müssten so die Begriffe eines Lösungsansatzes heißen. Eigentlich.

Doch wer lässt los, solange er noch nicht gefallen ist und an das eigene „Weiter-so“ noch glaubt? Kaum jemand. Was verständlich wie traurig zugleich ist. Ein Freund erzählte mir vor kurzem: „Mein Vater ist mit gut 60 Jahren aus dem Job ausgestiegen. Dem geht es heute noch ganz gut. Wie soll ich es denn noch bis zu meiner Rente aushalten? Bis dahin bin ich doch ein Wrack!“

Warum Instagram – DRINGEND – Listen benötigt

Instagram hat seinen eigenen Algorithmus installiert. Für das Unternehmen selbst bzw. Papa Facebook im Hintergrund recht logisch. Doch für viele bisherige Instagram-Fans eher ernüchternd. Weil er Bekanntes betont und Entdeckungen verbirgt. Was das heißt?

Seit einigen Wochen bekommt jeder Instagram-Nutzer den neuen Algorithmus zu spüren. Und zwar deutlich. Denn ähnlich wie bei Facebook regelt der Instagram Algorithmus, welche Bilder und Videos der Nutzer in welcher Reihenfolge zu sehen bekommt. Auch wenn im Unterschied zu Papa Facebook keine Beiträge verborgen, sondern nur die Reihenfolge ihrer Sichtbarkeit bestimmt wird, hat dies Folgen. Für die Nutzer. Und zwar kräftige. Und nicht immer nur positive.

Wenn ich mir meinen eigenen Instagram-Stream ansehe, so sind seit einigen Tagen praktisch nur noch Bilder sichtbar von

  • Personen, mit denen ich auch auf Facebook regelmäßig interagiere … hallo Instagram-Facebook-Verbindung!
  • Accounts, mit denen ich bereits in der Vergangenheit intensiv interagiert habe – ob per Likes oder per Comments;
  • Accounts, die in meiner regionalen Nähe Bilder posten.

Am häufigsten sehe ich aber Bilder und Videos von Accounts, auf die alle drei Faktoren zutreffen. Und davon aber maßlos viel Bilder. Wenn solche Accounts hintereinander oder innerhalb eines kurzen Zeitraums beispielsweise gleich fünf Bilder publizieren, bekomme ich (fast) alle zu sehen. Ein Resultat: Für die letzten 100 Bilder in meiner Timeline waren genau 23 Personen verantwortlich. Ist das nicht irgendwie schade?

Wo ist meine Inspirationsquelle?
Der Algorithmus ist für mich persönlich – ehrlich gesagt – ziemlicher Schrott. Wo ist denn das Instagram als Inspirationsquelle geblieben? Nein, das ist jetzt kein #mimimi-Artikel. Nur: Für mich hat der Reiz von Instagram immer das Überraschende, das Nicht-Planbare, die plötzlichen visuellen Emotionen ausgemacht. Dass man Accounts z.B. von Künstlern oder Fotografen bewusst abonniert hat, weil sie einen mit ihren Bildern und Videos überrascht, inspiriert, ein Lächeln auf die Lippen gezaubert haben.

Ich hatte mich an ihren Werken erfreut – ohne mit ihnen direkt zu interagieren. Und das ist das Problem, mein Problem: Keine Interaktion, kein Like, kein Kommentar bedeutet jetzt keine Sichtbarkeit mehr. Und schon sind sie – mit dem neuen Algorithmus – aus meinem Blickfeld verschwunden, auch wenn sie noch so viel und schön posten.

Instagram sitzt damit – aus meiner persönlichen Sicht – in einer ziemlichen Inspirationsfalle. Auf der einen Seite ist der Schritt aus Unternehmenssicht vielleicht ein wenig nachvollziehbar, wenn man die Interaktion mit Bekanntem fördern will. Nur was macht man auf der anderen Seite mit Menschen wie mir, die gucken aber oftmals nicht interagieren? Die die Vielfalt von fremden Instagram-Nutzern, von internationalen Foto-Künstlern als das Besondere erkannt hatten? Die spielen für Instagram anscheinend keine Rolle mehr. So wie ich.

Listen machen glücklich!
Dabei gäbe es eigentlich eine recht einfache Lösung: Und die heißt Listen. Übrigens genau so wie bei Facebook (auch wenn sie noch immer wenige Nutzer kennen und intensiv nutzen). Listen würden einiges erleichtern. Eine Liste für Freunde, für Kollegen, für spannende Firmen, für Inspirationen, für besondere Accounts etc. Und alle wären glücklich: Die Nutzer, weil sie sich wieder inspirieren lassen können oder zu interagieren, und auch Instagram übrigens, da die gezielte Listen-Kommunikation wahrscheinlich eine deutlich höhere Interaktionsrate mit sich bringen würde als das bisherige, meist etwas planlose Scrollen. Oder ist das so schwer umzusetzen?

Noch habe ich Hoffnungen, dass sich hier etwas tut. Und dies möglichst bald. Ansonsten bin ich weg. Denn die vielen Bilder meiner Freunde neben Facebook auch noch bei Instagram anzusehen, das brauche ich wirklich nicht. Also tu was, Instagram!

Wenn Illustrationen zur Sprache werden

Wer das erste Mal durch Japan reist, dem fallen nicht nur die Freundlichkeit der Menschen, die Pünktlichkeit der Verkehrsmittel, die Lautstärke der Video-Außenwerbung, das schrille Funkeln der Schilder, das Lärmen der Spielsalons oder die Höhe der Gebäude im Wechsel mit altehrwürdigen Schreinen und stillen Gärten auf, um nur wenige Beispiele für dieses Land der Kontraste zu nennen. Schließlich ist die Fusion aus jahrhundertealter Tradition und nach vorne sprudelnder Moderne, an bedächtiger Würde und grenzenloser Schrille an kaum einem anderen Ort der Welt so intensiv zu beobachten wie im Land der aufgehenden Sonne.

Unübersehbar – gerade für Medien- und Kommunikationsleute – sind die vielen sonderbaren Schilder, die Bewohner wie Touristen hinweisen, warnen, anziehen sollen. Das Besondere: Es sind keine normalen Schilder mit normalen textlichen Beschriftungen und den normalen passenden Bildern – und dazu noch im normalen Corporate Design der jeweiligen Marke.

Symbole und Zeichen statt Texte
Japaner pflegen vielmehr eine eigene Schilder-Sprache, die auf Illustrationen, Zeichen und Symbole setzt, die mit Tieren und Fantasiefiguren spielt, die aus Zeichnungen und figurativen Elementen besteht. Bei Hinweisen auf Spielsalons oder eine Bar lässt sich die Sprache noch nachvollziehen. Nur reicht diese Kunstform der Kommunikation deutlich weiter: Baustelle betreten nicht erlaubt, Willkommen in einem Kaufhaus, Werbung für eine Karaoke-Bar oder den lokalen Fußball-Verein, Warnung vor der Erwärmung der Erdoberfläche und vieles mehr: Derartige Aufforderungen werden nicht in Text- sondern in Symbolform dargestellt, wie die folgenden integrierten Beispiele verdeutlichen. (Lesetipp: Mehr zur japanischen Werbekultur lässt sich auch in dieser ausführlichen Seminar-Arbeit nachlesen)

Oft habe ich mich bei meiner Reise gefragt, wo solch eine Sprache der Illustration, der Zeichen und Symbole ihre Ursache hat. Angesichts ihrer Übertragbarkeit und Internationalität könnte man denken, dass dies ein Gefallen der Japaner an ihre auswärtigen und meist des Japanischen nicht geübten Besucher ist. Nur dies wäre von ihrer Gastfreundschaft wohl zuviel verlangt. Oder ist es die generelle Verbundenheit mit der Comic-Sprache, die sich in der Manga-Kultur niederschlägt, die einen die ganze Reise über begleitet und welche die Süddeutsche zu Recht als „unterschätzte Kunstform“ bezeichnet? Auch dies überzeugt mich als Erklärung nicht wirklich. Aber woher kommt sie dann, die visuelle Sprache? Ehrlich gesagt, ich als Nicht-Japanologe weiß es nicht.

Einsatz als Corporate Language?
Mir als Kommunikations- und Marketingmensch stellt sich dafür eine ganz andere Frage: Ließe sich solch eine – vereinfachende – spielerische und illustrative Symbolsprache nicht als Corporate Language für eine Marke nutzen? Bis auf Red Bull mit Einschränkungen ist mir kaum eine Marke bekannt – und damit meine ich keine abgetrennte Kampagne -, die ihre Corporate Language vollständig auf Basis solcher Symbole aufgebaut und an diesen ausgerichtet hat. Selbst eine Marke wie Red Bull hat sicherlich mit der „Red Bull verleiht Flügel“-Kampagne einen visuell geprägten Sprache geschaffen, sie dann aber auf das pure Motto auch beschränkt.

Je häufiger ich mir die japanische Symbol-Sprache jedoch ansehe und die vielen Beispiele bewundere, desto interessanter wirkt auf mich der Ansatz. Schließlich ließe sich auf die Art eine universelle Sprache entwickeln, die durch ihre stark visuell geprägten Elemente und ihre illustrative Kraft auf der einen Seite schnell und einfach wahrnehmbar wäre, andererseits ein unverwechselbares Bild einer Marke nach innen wie nach außen zeichnen könnte.

Ohne Konsequenz kein Erfolg
Nur: Warum macht dies bei uns kaum eine Marke? Gibt es dazu spezielle Voraussetzungen, die erfüllt werden müssen? Sind wir Deutschen für eine solche Symbol-Sprache nicht bereit? Und für welche Marken mit ihren Angeboten und Services würde sich dies am ehesten anbieten? Jede müsste sich bewusst sein, dass ein Erfolg – siehe Beispiel von Red Bull – nur dann eintreten könnte, wenn solch ein Weg sehr konsequent und vor allem langfristig geführt wird. Denn nur dann kann es irgendwann auch für Markenversprechen und -aussagen gelten, dass Illustrationen wirklich „mehr als 1.000 Worte sagen“.

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